PFAS: Die “Ewigkeitschemikalien” – Risiken und Lösungen für die Zukunft
Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz PFAS, sind seit Jahren im Fokus von Wissenschaft und Öffentlichkeit. Diese Stoffgruppe umfasst über 4.700 verschiedene Chemikalien, die aufgrund ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften in zahlreichen Alltagsprodukten eingesetzt werden. Doch was macht diese Stoffe so bedenklich und welche Auswirkungen haben sie auf unsere Gesundheit und Umwelt?
Was sind PFAS und wo kommen sie vor?
PFAS sind künstlich hergestellte Chemikalien, die seit den 1950er Jahren produziert werden. Sie finden sich in vielen Alltagsprodukten wie:
- Antihaftbeschichtungen für Pfannen
- Outdoorkleidung und imprägnierte Textilien
- Lebensmittelverpackungen (z.B. Pizzakartons)
- Kosmetika und Körperpflegeprodukte
- Feuerlöschschäume
- Industrielle Anwendungen
- Einwegbecher mit Beschichtung
- Teppichen und Möbeln mit schmutzabweisender Behandlung
Der Name “Ewigkeitschemikalien” ist keine Übertreibung: PFAS sind extrem langlebig und bauen sich in der Natur praktisch nicht ab. Sie können über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte in der Umwelt verbleiben. Durch ihre Beständigkeit haben sie sich mittlerweile global verbreitet – selbst in der Arktis wurden PFAS nachgewiesen.
Gesundheitliche Auswirkungen: Was wir wissen und was vermutet wird
Bei der Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch PFAS ist Vorsicht geboten. Während für einige PFAS-Verbindungen die gesundheitsschädlichen Wirkungen gut dokumentiert sind, besteht bei vielen anderen noch Forschungsbedarf.
Die Europäische Umweltagentur (EEA) gibt an, dass PFAS zu verschiedenen Gesundheitsproblemen führen können. Unter Verdacht stehen folgende mögliche Auswirkungen:
- Leberschäden
- Schilddrüsenerkrankungen
- Fettleibigkeit
- Fruchtbarkeitsstörungen
- Höhere Cholesterinwerte
- Beeinträchtigungen des Immunsystems (verminderte Wirkung von Impfungen)
- Erhöhtes Krebsrisiko
Besonders besorgniserregend sind neuere Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass PFAS die Immunantwort auf Impfungen beeinträchtigen könnten. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat diese Wirkung als “die bedeutsamste gesundheitliche Wirkung” eingestuft und daraufhin im Jahr 2020 eine gruppenbezogene zulässige wöchentliche Aufnahmemenge für vier besonders problematische PFAS festgelegt: 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Woche.
Eine Studie des Umweltbundesamtes (GerES V) hat gezeigt, dass in Deutschland alle untersuchten Kinder und Jugendlichen mit bestimmten PFAS belastet waren. Bei 21,1 Prozent der Proben lag die Konzentration von PFOA (Perfluoroktansäure) sogar über dem HBM-I-Wert, ab dem nach aktuellem Kenntnisstand eine gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mehr ausgeschlossen werden kann.
PFAS in unserem Trinkwasser
Besonders alarmierend ist die zunehmende Verbreitung von PFAS in unserem Trinkwasser. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat bei einer Untersuchung in neun von zehn Leitungswasserproben und in drei von fünf Mineralwässern PFAS nachgewiesen. Auch wenn die Mengen meist noch unter den derzeit geltenden Grenzwerten liegen, ist die weitreichende Verbreitung besorgniserregend.
In der EU werden ab 2026 strengere Grenzwerte für Trinkwasser gelten: Die Summe von 20 ausgewählten PFAS darf dann maximal 0,1 µg pro Liter Trinkwasser nicht überschreiten. Dies wird viele Wasserversorger vor große Herausforderungen stellen, da die Entfernung von PFAS aus dem Wasser technisch aufwendig und kostspielig ist.
Regulatorische Maßnahmen und Ausblick
Die wachsende Besorgnis über PFAS hat zu verstärkten regulatorischen Bemühungen geführt. Im Jahr 2023 hat die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) einen Vorschlag für ein umfassendes Verbot von mindestens 10.000 PFAS-Verbindungen vorgelegt. Deutschland ist gemeinsam mit den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Schweden treibende Kraft hinter diesem Vorstoß.
Bereits verboten oder stark eingeschränkt sind die Verwendung von PFOS (seit 2010), PFOA (seit 2020) und PFHxS (seit 2023). Im September 2024 hat die EU-Kommission zudem die Verwendung von PFHxA und verwandten Stoffen eingeschränkt, die häufig als Ersatz für die bereits verbotenen PFAS eingesetzt wurden.
Die Industrie steht nun vor der Herausforderung, PFAS-freie Alternativen zu entwickeln. Das Fraunhofer-Institut berichtet, dass die Anfragen nach Ersatzstoffen seit der Ankündigung eines möglichen PFAS-Verbots “exponentiell gestiegen” seien. Bereits jetzt gibt es vielversprechende Entwicklungen, wie etwa eine fluorfreie Antihaftbeschichtung.
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Die 20 kontrollierten PFAS im Trinkwasser: Was Sie wissen sollten
Mit der neuen EU-Trinkwasserrichtlinie von 2020, die 2026 vollständig in Kraft tritt, werden 20 spezifische PFAS-Verbindungen im Trinkwasser reguliert. Der Summengrenzwert für diese Verbindungen beträgt 0,1 µg pro Liter. Diese 20 PFAS wurden aufgrund ihrer nachgewiesenen Toxizität, weiten Verbreitung und analytischen Nachweisbarkeit ausgewählt.
Die 20 regulierten PFAS-Verbindungen:
- PFBA (Perfluorbutansäure): Verwendet in Lebensmittelverpackungen und als Ersatz für längere PFAS.
- PFPeA (Perfluorpentansäure): Abbauprodukt von Fluortelomeralkoholen, findet sich in Textilbeschichtungen.
- PFHxA (Perfluorhexansäure): Häufig in Feuerlöschschäumen und Textilien eingesetzt.
- PFHpA (Perfluorheptansäure): Abbauprodukt längerkettiger PFAS, in Beschichtungen verwendet.
- PFOA (Perfluoroktansäure): Früher in Teflon-Produkten eingesetzt, seit 2020 in der EU eingeschränkt.
- PFNA (Perfluornonansäure): In Beschichtungen für Papier und Textilien verwendet.
- PFDA (Perfluordecansäure): Findet sich in wasserdichten Membranen und Beschichtungen.
- PFUnDA (Perfluorundecansäure): In Outdoortextilien und Imprägnierungen nachweisbar.
- PFDoDA (Perfluordodecansäure): In hochwertigen Textilanwendungen eingesetzt.
- PFTrDA (Perfluortridecansäure): In Spezialpapieren und technischen Anwendungen.
- PFBS (Perfluorbutansulfonsäure): Ersatzstoff für PFOS, in Bodenpolituren und Reinigungsmitteln.
- PFPeS (Perfluorpentansulfonsäure): In Beschichtungen und Feuerlöschschäumen.
- PFHxS (Perfluorhexansulfonsäure): Seit 2023 in der EU verboten, wurde in Textilien und Teppichen verwendet.
- PFHpS (Perfluorheptansulfonsäure): In industriellen Anwendungen und Feuerlöschschäumen.
- PFOS (Perfluoroktansulfonsäure): Seit 2010 in der EU stark eingeschränkt, früher vielfältig eingesetzt.
- PFNS (Perfluornonansulfonsäure): In industriellen Anwendungen und Spezialschmiermitteln.
- PFDS (Perfluordecansulfonsäure): In Beschichtungen und industriellen Prozessen.
- 4:2 FTS (4:2 Fluortelomersulfonsäure): Abbauprodukt von Fluortelomeralkoholen, in Feuerlöschschäumen.
- 6:2 FTS (6:2 Fluortelomersulfonsäure): In Feuerlöschschäumen und als Ersatzstoff für längere PFAS.
- 8:2 FTS (8:2 Fluortelomersulfonsäure): In Feuerlöschschäumen und Oberflächenbeschichtungen.
Häufigste Anwendungsbereiche und Belastungsschwerpunkte
Die primären Belastungsquellen für Trinkwasser mit diesen PFAS-Verbindungen sind:
- Feuerwehrübungsplätze und Militäranlagen: Insbesondere PFOS, PFOA, PFHxS und die Fluortelomersulfonsäuren (FTS) sind in AFFF-Löschschäumen (Aqueous Film Forming Foam) enthalten und können durch intensiven Einsatz ins Grundwasser gelangen.
- Industriestandorte: Besonders Papier-, Textil- und Galvanikbetriebe verwenden verschiedene PFAS-Verbindungen in ihren Prozessen. Die kurzkettigeren Verbindungen wie PFBA, PFBS und PFHxA werden häufig als Ersatz für die bereits regulierten längerkettigen PFAS eingesetzt.
- Kläranlagen: Konventionelle Kläranlagen können PFAS kaum zurückhalten, wodurch diese Stoffe in Gewässer gelangen. Besonders die kurzkettigeren PFAS wie PFBA und PFBS sind mobiler und werden durch herkömmliche Trinkwasseraufbereitungsverfahren schwer entfernt.
- Deponien: Von Deponien kann PFAS-belastetes Sickerwasser in das Grundwasser gelangen. Studien zeigen, dass besonders PFHxA, PFOA und PFOS in höheren Konzentrationen in Deponiesickerwässern nachweisbar sind.
Gesundheitliche Bewertung der regulierten PFAS
Wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass die gesundheitlichen Risiken der einzelnen PFAS-Verbindungen variieren, aber gemeinsame Wirkprinzipien aufweisen:
- Die längerkettigen Verbindungen (wie PFOA, PFOS, PFNA) neigen dazu, sich stärker im menschlichen Gewebe anzureichern und haben längere Halbwertszeiten im Körper (Jahre statt Tage oder Wochen).
- Kurzkettige PFAS (wie PFBA, PFBS) werden zwar schneller ausgeschieden, sind aber in der Umwelt mobiler und können das Trinkwasser leichter kontaminieren.
- Sulfonsäuren (PFOS, PFHxS) weisen tendenziell eine höhere Toxizität auf als die entsprechenden Carbonsäuren gleicher Kettenlänge.
Die Einführung des strengen Summengrenzwerts für diese 20 PFAS im Trinkwasser folgt dem Vorsorgeprinzip, da Langzeitstudien zu den gesundheitlichen Auswirkungen, insbesondere der neueren, kurzkettigeren Varianten, noch ausstehen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betont, dass besonders die gleichzeitige Exposition gegenüber mehreren PFAS-Verbindungen gesundheitlich bedenklich sein könnte, was die Notwendigkeit eines Summengrenzwerts unterstreicht.
Für Wasserversorger stellt die Entfernung dieser persistenten Verbindungen eine erhebliche technische und wirtschaftliche Herausforderung dar. Die effektivsten verfügbaren Technologien zur PFAS-Entfernung aus dem Trinkwasser sind derzeit Aktivkohlefilterung, Ionenaustauschverfahren und Membrantechnologien wie Umkehrosmose – allesamt relativ kostenintensive Verfahren.
Was kann jeder von uns tun?
Auch wenn eine vollständige Vermeidung von PFAS kaum möglich ist, kannst du die Exposition (den Kontakt) reduzieren:
- Auf Produkte mit den Kennzeichnungen “PFAS-frei”, “PFC-frei” oder “fluorcarbonfrei” achten
- Bei Pfannen auf Keramik- oder andere PFAS-freie Beschichtungen umsteigen
- Auf fluorhaltige Imprägniersprays verzichten
- Trinkwasser bei Verdacht auf Belastung testen lassen oder einen hochwertigen Aktivkohlefilter verwenden
- Kosmetika und Körperpflegeprodukte auf fluorierte Inhaltsstoffe überprüfen
- Beim Kauf von Outdoorkleidung auf PFAS-freie Alternativen achten
Fazit
Die PFAS-Problematik verdeutlicht die Komplexität moderner Umwelt- und Gesundheitsrisiken. Während diese Chemikalien einerseits nützliche Eigenschaften für viele Produkte bieten, stellen ihre Langlebigkeit und die zunehmende Akkumulation in Umwelt und Organismen ein ernsthaftes Problem dar. Der vorsorgliche Umgang mit dieser Stoffgruppe und die Entwicklung sicherer Alternativen sind wichtige Schritte für den Schutz unserer Gesundheit und Umwelt.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die regulatorischen Maßnahmen entwickeln werden und ob die Industrie zeitnah sichere und effektive Alternativen bereitstellen kann. Bis dahin ist ein bewusster Umgang mit PFAS-haltigen Produkten und die Unterstützung von Unternehmen, die auf PFAS-freie Alternativen setzen, ein wichtiger Beitrag jedes Einzelnen.
Quellen:
- Europäische Umweltagentur (EEA): “Was sind PFAS und inwiefern sind sie für meine Gesundheit gefährlich?”
- Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA): “Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS)”
- Umweltbundesamt: “Kinder und Jugendliche haben zu viel PFAS im Blut”
- Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): “PFAS im Trinkwasser”
- Verbraucherzentrale: “Ewigkeits-Chemikalien PFAS: Wo sie stecken, warum sie problematisch sind”
- Fraunhofer-Institut: Forschungen zu PFAS und Alternativen